Palmöl für Biosprit oder lieber doch nicht? Mit der Veröffentlichung der Fallakte beginnt der Vis Moot 2021/22

Nachdem im letzten Jahr die Herstellung von Covid-19-Impfstoffen auf Vektorenbasis im Mittelpunkt des Interesses des Vis Moot-Universums standen, ist das Thema beim Vis Moot 2021/22 nicht ganz so aktuell aber dennoch wichtig. Fortgeschrittene Vertragsverhandlungen über die Lieferung von nachhaltig hergestelltem Palmöl für die Produktion von Biosprit stellen den faktischen Hintergrund des Falles dar. Da ab einem gewissen Zeitpunkt allerdings der potentielle Kunde kein Interesse mehr an der Lieferung des Palmöls hatte kam die Frage auf, ob nicht bereits zu diesem Zeitpunkt ein Kaufvertrag für die Lieferung großer Mengen nachhaltigen Palmöls über fünf Jahre geschlossen wurden. Hintergrund für den Abbruch der Vertragsverhandlungen waren Skandale im Hinblick auf die Nachhaltigkeitszertifizierung des Palmöls der Klägerin in den letzten Jahren, da für die Beklagte Nachhaltigkeit ein zentrales Element der Firmenphilosophie darstellt.

Aus dem Sachverhalt ergeben sich zahlreiche spannende Rechtsfragen, die auch zu einem großen Teil bereits von den Anwälten der beiden Parteien angesprochen wurden. Daraus ergäbe sich aber eine Komplexität, in einem Schriftsatz von 35 Seiten, wie sie das Reglement des Vis Moots vorsehen, nicht zu bewältigen wären. Deshalb greifen die Vis Moot-Organisatoren zu einem prozessualen Trick: In einer Procedural Order entscheidet das Schiedsgerichts als Herr des Verfahrens die Rechtsfragen abgestuft zu diskutieren und in einer ersten Anhörung, die im Rahmen des Wettbewerbs simuliert wird, nur vier klar umrissene Rechtsfragen zu diskutieren.

Wie immer sind zwei Fragen dem Schiedsverfahrensrecht und zwei Fragen der CISG zuzuordnen. Verfahrensrechtlich geht es letztlich um die Frage, ob sich die Parteien wirksam auf die Zuständigkeit des Schiedsgerichts geeinigt haben. Wegen der im Schiedsrecht allgemein anerkannten Kompetenz-Kompetenz fällt es auch in die Zuständigkeit des Schiedsgericht diese Frage zu beantworten. Dabei ist zunächst die klassische Frage zu erörtern, welches Recht auf die Schiedsklausel Anwendung findet. Zudem ist die Frage zu diskutieren ob, falls das Recht des fiktiven Vertragsstaat des UN-Kaufrechts Mediterraneo anwendbar sein sollte, die CISG auch auf die Schiedsvereinbarung Anwendung findet.

Materiellrechtlich sind nur die Fragen zu diskutieren, ob überhaupt ein Vertrag geschlossen wurde und falls ja, ob die AGB der Klägerin wirksam in den Vertrag einbezogen wurden. Die rechtliche Folgen, um die es letztlich der Klägerin geht, sollen in dieser ersten Anhörung überhaupt nicht erörtert werden.

Der Prozessrechtliche Rahmen ist in diesem Jahr ein vom Asian International Arbitration Centre in Kuala Lumpur administriertes Verfahren unter Anwendung der Schiedsregeln dieses Schiedsinstitutes. Um diese vier Rechtsfragen zu bearbeiten, müssen sich die sieben Studierende der Bremer Vis (East) Moot-Teams bis Ostern nächstes Jahr nicht nur durch tausende Seiten einschlägiger Literatur und Urteile sondern auch durch eine 47-seitige Fallakte kämpfen.

Erfreulich beim diesjährigen Sachverhalt ist auch, dass die Vis Moot-Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Bremen und der ganzen Welt in diesem Jahr nicht lange auf die Fallakte warten mussten. Die Veröffentlichung, die für den heutigen Freitag, dem 08. Oktober 2021 angekündigt war erfolgt überpünktlich. Beriets 23:48 Uhr am Vortag erreichte das Team der Universität Bremen eine E-Mail aus Wien in deren Anlage sich die Fallakte befand. Zu diesem Zeitpunkt war sie auch bereits auf die Homepage des Wettbewerbs geladen. In ca. 10 Stunden um 12:00 Uhr werden sich die Vis Moot-Teams der Uni Bremen mit Teamleiter Tobias Pinkel treffen um die ersten Eindrücke zum Fall auszutauschen und das weitere Vorgehen zu erörtern. Der Vis Moot 2021/22 hat damit begonnen. MCAB e.V. wünscht den Teams und deren Coachs viel Freude bei der anstehenden Arbeit.